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2 1/2 Jahre in der BV Nippes: Eine persönliche Halbzeitbilanz von Bela Schlieper

Positive Zwischenbilanz und Umsetzungsdefizite

Zweieinhalb Jahre ist es nun her, dass ich als jüngster Mandatsträger Kölns in die Nippeser Bezirksvertretung gewählt wurde. So richtig klar war mir damals nicht, was genau das eigentlich bedeutet. Als absoluter Quereinsteiger in die Kommunalpolitik sollte ich nun als 18-jähriger Erstwähler auf einmal 120.000 Bürger:innen politisch vertreten. Letzten Monat bin ich 21 Jahre alt geworden, von den fünf Jahren dieser Wahlperiode ist mittlerweile die Hälfte geschafft. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, um einen Rückblick zu wagen - denn es ist einiges passiert.

Ein Start mit Turbulenzen

Los ging es mit einem bezirkspolitischen Erdbeben. Mit der Bildung des Mehrheitsbündnisses aus Grüne, Linke, FDP, Klima Freunde und GUT sitzen die beiden großen Altparteien SPD und CDU zum allerersten Mal in der Geschichte des Stadtbezirks nicht am längeren Hebel. Nach 40 Jahren, in denen die SPD das Amt des Bezirksbürgermeisters innehatte, sind nun die Grünen mit Diana Siebert als neuer Bezirksbürgermeisterin die Mehrheitsführer in Nippes. Für diese Ausgangssituation spielt GUT in der knappen 10-zu-9-Mehrheit eine entscheidende Rolle.

Da war ich also nun. Gerade erst hatte ich gelernt, was eine Bezirksvertretung überhaupt ist und was sie so tut, da war ich also schon mittendrin im Getümmel. Irgendwie ein bizarres Gefühl. Politik war bei mir immer ein Thema, sowohl in der Familie, als auch im Freundeskreis. Aber wie schnell man eigentlich in eine Position kommen kann, in der man richtig etwas bewirken kann, hatte mich doch verblüfft.

Für Verblüfftsein blieb allerdings nicht viel Zeit, denn das bunte Mehrheitsbündnis befand sich direkt von Anfang an unter Beschuss. Vor allem ein paar der abgewählten Ex-Bezirksvertreter der Altparteien mussten wohl ein wenig Wahlfrust loswerden und stänkerten verbittert gegen ein Zweckbündnis, das krampfhaft zusammengeschustert worden sei, um SPD und CDU aus ihren Machtpositionen zu verdrängen. Wir hatten also noch nicht mal angefangen, als schon Wetten abgeschlossen wurden, ob das Bündnis nach einem halben oder einem ganzen Jahr auseinander brechen würde.

Wenn Ehrenamt zur Verantwortung wird

Wir entschieden uns dazu, nicht auf Konfrontation zu gehen und unsere Arbeit für uns sprechen zu lassen. Gerade mal drei der zehn Bündnismitglieder hatten vorher bereits in einem politischen Gremium mitgewirkt, für alle anderen ist diese Bühne Neuland. So wurde diese Aufgabe zu einem großen Lernprozess. Für mich persönlich wahrscheinlich nochmal mehr, als für meine Kolleg:innen. Nicht nur, weil ich mit Abstand das jüngste Bündnis-Mitglied bin und die geringste Erfahrung habe, sondern auch, weil ich keinen großen Partei-Apparat hinter mir habe. Ich war nie in einer politischen Jugendorganisation aktiv, habe nie gelernt, wie man sich auf der politischen Bühne bewegt. In unserer Wähler:innengruppe gibt es keinen Ortsverband Nippes mit dreistelligen Mitgliederzahlen, sodass ständig von überall Input kommt. Wir sind ein kleines Team aus Leuten, die größtenteils ähnlich neu in der Kommunalpolitik sind wie ich und von denen nahezu alle zusätzlich ein eigenes Gremium besetzen, die also ihren eigenen Fokus haben, sei es intern oder im Rat oder den Ausschüssen. So richtig schön DIY könnte man sagen.

Einfach war das alles nicht. Ist es auch immer noch nicht. An einem Tag fühle ich mich völlig verloren und frage mich, ob ich überhaupt auf die Position gehöre, an der ich bin, ob ich meinen Platz in der Bezirksvertretung nicht für eigentlich viel qualifizierte Menschen blockiere. Warum zum Teufel ich mir einbilde, dass ich in der Lage bin, das politische Interesse von 120.000 Nippeser:innen vertreten zu können. Wenn ich zum Beispiel nicht weiß, welches Amt jetzt genau was macht. Wo ich anrufen muss, wenn ich etwas wissen will. Wenn ich merke, dass ich bei Weitem nicht so gut vernetzt bin, wie andere. Wenn ich manchmal einfach nicht die Zeit habe, mehr zu tun. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nie darüber nachgedacht hätte, aufzuhören.

Dann gibt es aber auch diese anderen Tage, an denen ich merke, wie viel ich eigentlich bewirken kann, und dass es gut ist, dass ich da bin, wo ich bin. Wenn ich zum Beispiel eine Kettenreaktion anstoßen kann, die dazu führt, dass eine Grünfläche auf der Neusser Landstraße zumindest temporär gerettet wird, auf der eine bedrohte Krötenart brütet. Oder wenn ich ein Votum darüber abgeben kann, ob künftig alle Gehwege im Stadtbezirk eine Mindestbreite von zwei Metern haben müssen, damit Eltern mit Kinderwägen und Senior:innen mit Gehhilfen wirklich überall durchkommen. Ob der Kölner Zoo einen neuen Mietvertrag erhält. Oder ob die Neusser Straße nach drölfunddrölfzig Jahren und neundreiviertel Öffentlichkeitsbeteiligungen nun endlich im Sinne der Verkehrswende umgestaltet wird, zumindest bis ein verheerender Änderungsantrag des Ratsbündnisses diese Pläne zerschießt. Und wenn ich merke, wie stark unterrepräsentiert meine Generation eigentlich in der Kommunalpolitik ist, sowohl personell als auch inhaltlich. Genau diese Tage, an denen man merkt, dass man mithilft etwas anzupacken, halten aufrecht.

Die Kraft von Zusammenschlüssen

Große Anteile daran haben meine für diese Welt viel zu netten Kolleg:innen aus der Wähler:innengruppe, denen es immer wieder gelingt, mich aufzufangen. Aber auch ohne das Bündnis wäre alles viel schwieriger. In einem bis dato fremden Feld bietet es ein großes Gefühl von Sicherheit, Leute zu haben, die mit mir zusammenarbeiten. Und das auf eine solch konstruktive Art und Weise. Die Liste unserer Erfolge ist beachtenswert, wenn ich das mal so selbstbewusst sagen darf. Wie bereits oben erwähnt, haben wir die Planung des Umbaus der Neusser Straße in Zusammenarbeit mit der Nippeser Bevölkerung bis zur Fertigstellung vorangebracht. Wir haben Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für KFZ im gesamten Stadtbezirk eingeführt. Wir haben die Öffnung der Einbahnstraßen in beide Richtungen für Radfahrende auf den Weg gebracht. Wir haben ein neues Straßenbaumkonzept entwickelt. Wir haben den Fokus für ungenutzte städtische Grundstücke auf sozialen Wohnungsbau gesetzt. Und entgegen der spöttischen Unkenrufe nach der Wahl haben wir immer noch Bestand. Anzeichen, dass sich in der zweiten Hälfte der Wahlperiode daran etwas ändern sollte, gibt es keine.

Im Gegenteil, innerhalb dieses Bündnisses ist sogar eine gemeinsame Fraktion aus GUT und Klima Freunden entstanden. Meine Fraktionskollegin Inga Feuser und ich hatten festgestellt, dass wir beide nichts mit den alten Streitigkeiten aus der gemeinsamen Deine Freunde-Vergangenheit der beiden Wähler:innengruppen zu tun haben, wir sind beide erst nach der Trennung zu unseren jeweiligen Wähler:innengruppen gestoßen. Somit haben wir keinen Grund gesehen, warum wir unsere sehr ähnlichen politischen Ziele nicht in einer gemeinsamen Fraktion bündeln sollten. Auch dieser Zusammenschluss erweist sich als großer Gewinn. Mal abgesehen von der symbolischen Tragweite nimmt es doch sehr viel Ballast ab, wenn man sich zu zweit über Anträge oder andere wichtige Entscheidungen abstimmen kann und nicht als Einzelmandatsträger:in auf sich allein gestellt ist.

Noch einmal zweieinhalb Jahre

So richtig als Politiker verstehe ich mich immer noch nicht. Ich spiele Schlagzeug in zwei Bands, studiere Online-Redaktion an der TH Köln und wohne noch bei meinen Eltern. Mein großer Traum ist es nach wie vor, irgendwann mal von meiner Musik leben zu können. Wenn ich mir eine:n Politiker:in vorstelle, denke ich nach wie vor an diese irgendwie wichtig aussehenden Typen in Anzügen, die geschwollene Reden halten und in der Tagesschau auftreten. Das ist nicht das, was in der Bezirksvertretung passiert und ganz bestimmt auch nicht das, wo ich hin will. Aber es ist ein schönes Gefühl, direkt in der ersten Reihe etwas verändern zu können. Auf jeden Fall noch für die nächsten zweieinhalb Jahre.

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